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Smart City Bonn

Kommunalverwaltungen sind keine IT-Entwickler

In verschiedenen Veröffentlichungen und auf Veranstaltungen gibt es zunehmend Äußerungen, dass Kommunen IT-Anwendungen für behördliche Anforderungen selbst entwickeln sollen.

Veröffentlicht am 4. August 2022

In verschiedenen Veröffentlichungen und auf Veranstaltungen gibt es zunehmend Äußerungen, dass Kommunen IT-Anwendungen für behördliche Anforderungen selbst entwickeln sollen. So wurde jüngst ein einem Austausch über die Digitalisierung im Gesundheitssektor die Ansicht geäußert, Kommunen sollen sich auf Fördermittel bewerben und dann die Projektierung, Entwicklung, RollOut und den Support von IT-Anwendungen übernehmen und gestalten. Kann das die Lösung für die digitale Transformation einzelner Behördenbereiche sein? Ein kurzes Schlaglicht auf die kommunale Situation:

IT-Ausrichtung einer Kommunalverwaltung

Die kommunalen Haushaltskonsolidierungen der letzten Jahre haben die kommunale IT stark belastet. Künftige finanziellen und personellen Sparvorgaben haben Auswirkungen bei Kommunen mit eigener IT aber auch bei den kommunalen IT-Verbandsdienstleistern. Nur mit Aufgabenverlagerungen zu kommunalnahen/ öffentlich-rechtlichen IT-Dienstleistern oder Anbietern von kommunaler Software und gewerblichen Anbietern war und ist es überhaupt möglich, die digitale Transformation zu betreiben und die gesetzlichen Anforderungen, wie beispielsweise das OZG, umzusetzen.

Landeshauptstädte und Kommunen in einer Größenklasse ab 500.000 Einwohner sind je nach Ausstattung in der Lage Entwicklungen, Anpassungen oder IT-Anwendungen in kleinem Umfang umzusetzen. Eine Kommunalverwaltung mit einer eigener IT ist, bis auf diese Ausnahmen, personell und finanziell nicht aufgestellt, IT-Anwendungen ähnlich wie ein StartUp neu zu entwickeln oder Softwareentwicklungen zu übernehmen. Es gibt schlicht keine Entwicklerteams, welche sich ausschließlich einer einzigen Produktentwicklung mit einem eigenen Projekt- und Produktmanagement widmen können.

Co-Finanzierung durch Fördermittel und Vorlaufkosten

Fördermittel des Landes- und des Bundes sind als Anschubfinanzierung für eigenes Personal nicht nutzbar, da diese in der Regel zur eigenen Personalfinanzierung nicht als förderfähig anerkannt werden. Diese Situation bedeutet in der Praxis entweder eine eigene Vorfinanzierung mit hinterlegten Personalanteile im Stellenplan oder eine komplette externe Beauftragung. Selbst wenn eine Anschubfinanzierung helfen könnte, belasten Weiterwicklungen nach einem Ende der Fördermittelphase den kommunalen Haushalt zusätzlich und müssten dann etatisiert werden, was sich aufgrund der Sparvorgaben in den Kommunen nicht abbilden lässt. Knackpunkt ist, dass sich Kommunen nach der Gemeindeordnung der Länder wirtschaftlich nicht betätigen dürfen und eine Refinanzierung solcher Ausgaben nahezu ausschließt. Wie sich bei vielen SmartCity-Förderungen gezeigt hat, bleibt hier als Alternative nur die externe Auftragsvergabe mit einer oftmals notwendigen Zwischen- und Vorfinanzierung über den kommunalen Haushalt.

Lokale Eigenentwicklungen

Können und sollen einzelne Kommune oder kommunale Verbünde für andere Kommunen skalierbare und nachnutzbare IT-Anwendungen entwickeln? Natürlich bieten sich gemeinsame Entwicklungen auf OpenSource-Basis an. Wenig Berücksichtigung findet dabei leider die dauerhafte Softwarepflege sowie notwendige Dritt-Supportleistungen für eine Vielzahl von Nachnutzern.

Seit Jahren werden behördliche IT-Standards wie XÖV als die Lösung genannt, wobei sich die Frage stellt, wer denn eigentlich die IT-Standards für neue Anwendungsbereiche definiert und wie verbindlich diese Standards in der Umsetzung gelten? Hands-On könnten mit Eigenentwicklungen auf der grünen Wiese IT-Schnittstellen schnell definiert und lokale Umsetzungserfolge erzielt werden. Aus der Praxis für die Praxis wäre das erst einmal nur ein lokaler Ansatz. Bei App- und einzelne Webanwendungen gibt es auch gute Beispiele aber gilt das auf für behördliche IT-Anwendungen? Im großen OZG-Wimmelbild gibt es eine Vielzahl von Akteuren, welche bei einer Standarddefinition eingebunden werden müssen. Die IT-Standardentwicklung gestalten sich in der Umsetzung dann allerdings sehr langfristig und sind bis zum Ende der jeweiligen Förderphasen eher nicht realisierbar

Standpunkt

Daten interkommunal sowie föderal übergreifend auszutauschen, Linked Open Data dabei mit zu realisieren, Service-APIs zu realisieren und Serviceportalintegrationen mit Postkorbfunktionen zu ermöglichen, fachinhaltliche sowie gesetzliche Vorgaben in einer IT-Anwendung umzusetzen und die gesetzliche Vorgaben in einer IT-Anwendung nachhaltig und auf Dauer aktuell zu halten, betriebliche IT-Sicherheits-Mindeststandards dauerhaft umzusetzen, Drittdienste wie Authentverfahren zu integrieren, OSS-Communityarbeit zu betreiben usw. sind Aspekte, welche weitere Kompetenzen und bundesweit abgestimmte und zu einzelnen Themen verbindliche Vorgaben erfordern.

Die Entwicklung von IT-Anwendungen für den Behördeneinsatz ist nicht kommunale Aufgabe. Die Digitalisierung behördlicher Kernleistungen bzw. die digitale Umsetzung von Gesetzen zur Erfüllung nach Weisung ist als staatliche Aufgabe eine nationale Aufgabe und muss föderal übergreifend orchestriert werden.

Ein zeitlich begrenzter Fördertopf oder die Auslobung eines Leuchtturmprojektes für Kommunen ist nicht nachhaltig und kann nicht die Lösung für die Digitalisierung einzelner kommunaler Behördenbereiche sein. Gerade die OZG-Erfahrungen haben eindrucksvoll gezeigt, dass eine IT-Anwendungsentwicklung durch eine einzelne Kommune selbst nicht sinnvoll ist.

Link zur Übersicht der OZG-Umsetzungsstrukturen:  https://www.oeffentliche-it.de/-/monitor-digitale-verwaltung-4 (Öffnet in einem neuen Tab)

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